Mittwoch, 14. August 2019

Chimären: Japanische Forscher planen Mensch-Tier Wesen als lebende Behälter für Spenderorgane


Nina Stec

Kranken Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, Hoffnung und eventuell eine zweite Chance schenken zu wollen, ist ein ehrenhaftes Anliegen, jedoch heiligt der Zweck nicht die Mittel. 

Ein Team japanischer Wissenschaftler um Hiromitsu Nakauchi von der Universität Tokio hat für ihr Forschungsprojekt durch das Wissenschaftsministerium die Erlaubnis zur Zucht menschlicher Organe in Tieren erhalten. Menschliche Stammzellen sollen dafür in Tierembryonen eingepflanzt werden, die dann von einem „Leihmuttertier“ derselben Gattung ausgetragen werden. Dabei soll ein Tier geboren werden, das sich in nichts von anderen Tieren seiner Art unterscheidet, mit der Ausnahme, dass es ein bestimmtes menschliches Organ enthält. Dieses soll ihm schließlich entnommen und bedürftigen Menschen eingesetzt werden.

Nakauchi glaubt, auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können: Die Problematik des Mangels an Spenderorganen in den Griff zu bekommen und die verbreitete Abstoßungsreaktion transplantierter Organe zu verhindern. Schließlich sollen die neuen Organe aus den eigenen Stammzellen der Patienten produziert werden, was eine maximale Übereinstimmung von Organ und Empfänger bewirken würde.

Dafür müssen zunächst genetisch veränderte Tierembryonen gezüchtet werden, denen die Anlagen fehlen, um aus eigenen Zellen bestimmte Organe und Gewebe wie Lunge oder Bauchspeicheldrüse zu bilden. Dieser Mangel soll durch das Hinzufügen menschlicher Stammzellen, die genau das erwünschte Organ hervorbringen sollen, ausgeglichen werden. 

Zu Beginn sollen die Versuche an Mäuse- und Rattenembryonen ohne Bauchspeicheldrüse durchgeführt werden, die von anderen Mäusen ausgetragen und kurz vor der Geburt getötet werden. Zuvor soll sich während der Schwangerschaft soll durch die injizierten menschlichen Stammzellen eine Bauchspeicheldrüse entwickelt haben. Sollten diese Experimente erfolgreich verlaufen, sollen sie längerfristig an größeren Tieren durchgeführt werden, die den Menschen genetisch ähnlicher sind. Als besonders geeignet gelten Schweine. 

Neben zahlreicher Bedenken um den Erfolg des Anliegens - bisherige Versuche haben ergeben, dass der Tierkörper die menschlichen Zellen anscheinend als fremd erkennt und weitestgehend eliminiert -  besteht die Sorge, dass sich die überlebenden menschlichen Stammzellen unkontrolliert  in anderen, unerwünschten Stellen des Tieres ansiedeln könnten, zum Beispiel im Gehirn und dass auf diese Weise die gefürchtete Chimäre, eine undefinierbare  Mischung aus Mensch und Tier, Realität werden könnte. 

Besonders schwer wiegen allerdings auch die ethischen Bedenken, die eine klare Grenzüberschreitung der Wissenschaft feststellen. Sie sehen die Ordnung von Mensch und Tier durch die Gefahr der Chimäre in Frage gestellt und befürchten übermäßiges Tierleid und eine Degradierung des Tiers zum Ersatzteillager menschlicher Organe. 

So kritisierte etwa der Moraltheologe und Angehörige des Deutschen Ethikrates Andreas Lob-Hüdepohl: "Die fundamentale Grenze zwischen Mensch und Tier, auf der nicht nur unsere Rechtsordnung, sondern auch unser gattungsethisches Selbstverständnis als Menschen beruht, würde in unzulässiger Weise porös". Auch der der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht dies als ethischen Verstoß und warnt, mit der genetischen Veränderung werde versucht "sich selbst zu Göttern zu machen".

Irritierend ist allerdings, dass der Aufschrei und die ethischen Bedenken erst so spät aufkommen. Der Transfer von Menschengenen auf Tiere in der Forschung ist bereits seit Jahrzehnten Praxis und bereits 2017 wurden in den USA Versuche mit Embryos aus Mensch- und Tierzellen durchgeführt, wobei allerdings die veränderten Embryonen aus rechtlichen Gründen nur bis zu 14 Tage am Leben gelassen werden durften und noch vor der Geburt getötet werden mussten. 

Die lebendigen „Mischwesen“ wurden also schon früher erschaffen, der Unterschied zu damals besteht darin, dass sie nach dem neuen Beschluss in Japan auch geboren werden dürfen und auch nach der Geburt weiterverwendet werden sollen. Frühere Gesetzt geboten, die Embryonen nur wenige Tage heranreifen zu lassen, danach mussten sie vernichtet werden. 

Diese ethische Dilemma setzt also bereits wesentlich früher ein, bei der Frage nach den Experimenten mit lebenden Zellen, und umfasst ein kaum überschaubares Feld. Hier ist vor allem theologisch ein sehr kritischer Blick angebracht, da das Wesen des Menschen und seine besondere Stellung vor Gott und die der Tiere, unserer Mitgeschöpfe, zentral für den christlichen Glauben sind und möglicherweise übereilte und unethische Experimente nicht zu Verwirrung an der Schöpfungsordnung führen sollen. 

Quellen: 
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/japaner-duerfen-chimaeren-zuechten/
https://www.fr.de/wissen/tiere-organfabrik-forscher-wollen-mischwesen-erzeugen-12875267.html
https://www.tagesschau.de/ausland/mensch-tier-organ-101.html
https://www.maz-online.de/Nachrichten/Wissen/Wenn-ein-Schwein-Goethe-Gedichte-zitiert-waere-eine-Grenze-ueberschritten
https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2019-08/deutschland-ethik-mischwesen-mensch-tier-forschung-japan-moral.html
https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2019-08/deutschland-ethik-mischwesen-mensch-tier-forschung-japan-moral.html

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