Seit 2002 ist die aktive Sterbehilfe in den Niederlanden legal, und ab Februar geht das Land einen weiteren kontroversen Schritt: Unter bestimmten Voraussetzungen können nun auch schwer leidende Jungen und Mädchen unter zwölf Jahren legal getötet werden.
Die Regelung betrifft laut dem Innenministerium eine „kleine Gruppe“ von fünf bis zehn Kindern pro Jahr, bei denen die Möglichkeiten der Palliativmedizin nicht ausreichen, um ihr Leiden zu lindern. Mit dieser Entscheidung folgt die Niederlande Belgien, das bereits 2014 als weltweit erstes Land ein Gesetz verabschiedet hatte, das Sterbehilfe bei Kindern erlaubt. Jugendliche in den Niederlanden, die älter als zwölf Jahre sind, können bereits Sterbehilfe beantragen, wobei bis zum Alter von 16 Jahren die Zustimmung der Eltern erforderlich ist. Seit 2005 dürfen auch missgebildete Neugeborene straffrei getötet werden, sofern bestimmte Bedingungen eingehalten werden.
Die Entscheidung, die Sterbehilfe auf Kinder auszuweiten, hat in Deutschland heftige Reaktionen hervorgerufen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Palliativ Stiftung, Thomas Sitte, bezeichnete die Ausweitung als inakzeptable Entscheidung, jedoch zugleich als folgerichtig. Er rechnet in Deutschland aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidbeihilfe über kurz oder lang mit der Zulassung der aktiven Sterbehilfe. Sitte hat von Eltern seiner kleinen Patienten verzweifelte Bitten um Sterbehilfe gehört, betonte jedoch, dass die Tötung dieser Kinder niemals notwendig war. Es wäre immer möglich gewesen, eine künstliche Lebenserhaltung nicht fortzuführen und vorhandenes Leiden palliativ zu lindern.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnt vor einer schleichenden Gewöhnung an aktive Sterbehilfe und sieht die Niederlande als Beispiel dafür, dass sich eine Gesellschaft mit der organisierten Tötung von Menschen arrangieren kann. Der Vorstand Eugen Brysch betonte, dass die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe anfangs damit begründet wurde, Sterbewillige zu schützen und einen Graubereich zu verhindern. Mittlerweile gehe es jedoch immer weniger um Beistand für kranke und lebensmüde Menschen, und Brysch wies darauf hin, dass das Nachbarland bei der Versorgung mit Hospiz- und Palliativdiensten für Kinder schlecht aufgestellt sei.
Die Entscheidung der Niederlande zeigt, dass die Debatte um aktive Sterbehilfe weiterhin international kontrovers geführt wird und auch in Deutschland zu Diskussionen über die ethischen Grenzen medizinischer Praktiken führen könnte.