Nina Stec
Die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch falle keiner Frau leicht, deshalb solle zumindest der Zugang zu Abtreibungen nach gefallener Entscheidung vereinfacht werden – so ähnlich argumentieren Befürworter der Legalisierung von Abbrüchen häufig. Die neue Bundesregierung unter der Ampel Koalition schließt sich dieser Auffassung über die Zukunft der Abtreibungshandhabung an. Dazu fallen Begriffe wie selbstbestimmt, sicher, kostenlos und frei von einschränkenden Hürden und am besten auch moralischen Urteilen durch Gegenstimmen.
So ist es nicht verwunderlich, dass der Paragraf 219a, das Werbeverbot für Abtreibungen, über das insbesondere seit dem prominenten Fall der Ärztin Kristina Hänel kontrovers diskutiert wird, schnellstmöglich und vollständig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden soll. Dazu steht wörtlich im Koalitionsvertrag: „Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB.“ Frauenärzte sollen etwa auf den Webseiten ihrer Praxen über dieses „Angebot“ informieren dürfen, zudem will die Koalition selbst ein bundesweites Netz von Beratungszentren aufbauen.
Es ist allerdings zu befürchten, dass die Abschaffung des Paragrafen 219a nur der Anfang ist und dass als nächster Schritt auch eine Überarbeitung oder gar Streichung des Paragrafen 218 vorgesehen sein könnte, welcher Abtreibung überhaupt als strafbar einstuft. Das entspräche dem Bild der Ampel-Parteien, für die die „Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen“ zu einer „verlässlichen Gesundheitsversorgung“ gehört. Somit ist auch geplant, die Frage, ob und unter welchen Umständen Abtreibungen überhaupt noch strafbar sein sollten, von einer Kommission prüfen zu lassen.
Des Weiteren unterstützt die Koalition ein neues Pilot-Projekt der Beratungsstelle pro familia, dem Beratungszentrum balance und dem Verein Doctors for Choice, das Schwangerschaftsabbrüche per Telemedizin anbietet. Nach vollzogenem Beratungsgespräch samt Bedenkfrist müssen Frauen die einen medikamentösen Abbruch vornehmen lassen wollen, dafür nicht mehr unbedingt eine Arztpraxis oder Klinik aufsuchen, sondern können die Tabletten, die sie per Post erhalten, im Videochat unter Aufsicht eines Frauenarztes zuhause einnehmen. Diese „Erleichterung“ steht vor allem im Zusammenhang der abnehmenden Zahl von Gynäkologen, die Abbrüche vornehmen und der Corona-Pandemie, die zweifellos auch viele Familien in eine schwierige Lage brachte.
Doch die zunehmende Tendenz der Vereinfachung des Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen löst nicht die pandemiebedingten Probleme von finanziell schwächer gestellten Schwangeren und Familien. Die bleiben schließlich auch nach der Abtreibung arm und leiden weiterhin unter anderen Einschränkungen ihrer Lebensqualität, die sich nicht mal eben „wegmachen“ lassen. Zudem sollte die Regierung gerade in der Krise andere Unterstützungsmöglichkeiten bereithalten und dadurch Stärke zeigen, statt zu suggerieren, dass es unvermeidbar oder gar in Ordnung wäre, dass Corona auch zu Abtreibungen führen „müsse“.
Das Kernproblem besteht allerdings darin, dass hier ein grundsätzliches Menschenrecht, nämlich das unantastbare Recht auf Leben, für eine ganze Personengruppe vollständig ignoriert wird. Diese Meinung vertritt etwa das katholische Bistum Regensburg, welches an Kirchenmitglieder appelliert, sich gezielt für das Recht auf Leben ungeborener Kinder einzusetzen. Schließlich kommen jedes Jahr rund 100.000 Kinder durch Schwangerschaftsabbrüche ums Leben.
Die Pläne und Formulierungen der Ampel gehen einfach über dieses Sterben hinweg und lassen es unsichtbar erscheinen, wenn stattdessen lieber „Gehsteigbelästigungen“ durch Lebensschützer angeprangert werden, verknüpft mit der Frage, ob man diese juristisch unterbinden könnte.
Doch dass es hierbei nicht bloß um den vereinfachten Zugang zu „medizinischen Dienstleistungen“ und persönliche Entscheidungsfreiheit, die einer Person individuell leicht oder schwerfällt, sondern um Leben oder Tod weiterer unschuldiger Menschen geht, sollte gerade unter dem Blickwinkel der Pandemie deutlich werden. Wenn andererseits überall betont wird, dass dem Recht auf Leben und seinem Schutz oberste Priorität eingeräumt werden müsse, wodurch dann einige Freiheitsrechte untergeordnet und eingeschränkt werden, ist es besonders bigott, dass gleichzeitig die Tötung ungeborenen Lebens gefördert und dabei unter dem Deckmantel des „Selbstbestimmungsrechts“ von Frauen oder eines „Informationsrechtes“ versteckt wird.