Montag, 4. Oktober 2021

Alkohol in der Schwangerschaft – mit fatalen Folgen



Lina Schmitt

Dass Alkohol ein Zellgift ist und viele folgenschwere Krankheiten mit sich führen kann ist weithin bekannt. Auch dass Alkohol Missbildungen und Verzögerungen im Wachstum des Kindes während der Schwangerschaft auslöst ist kein Geheimnis und wird in den Medien und bei vielen Ärzten erwähnt und ausgiebig erklärt. 

Wie eine bayerische Studie belegt, tranken rund 25 Prozent der Befragten in der Schwangerschaft Alkohol, vorwiegend Frauen über 30 mit höherem Schulabschluss – mit fatalen Folgen:

Circa 10.000 Neugeborene pro Jahr sind von Schäden durch Alkohol in der Schwangerschaft betroffen, sie leiden unter der sogenannten fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD). Am auffälligsten sind die Merkmale im Gesicht: Das Philtrum, eine Einkerbung, die zwischen der Nase und der Mitte der Oberlippe verläuft, ist abgeflacht oder komplett verstrichen. Zudem ist die Lidspalte, also die Breite des Auges, vergleichsweise klein und die Oberlippe sehr schmal. Bei den meisten treten einige, aber nicht alle der Veränderungen auf, außerdem werden viele zu früh und unterentwickelt geboren. Rund 2000 bis 4000 der Kinder weisen dagegen mehrere und stärker ausgeprägte Merkmale auf. Dann spricht man vom fetalen Alkoholsyndrom (FAS), berichtet die Apotheken Umschau vom November 2020.

Aber nicht nur Kinder von echten Alkoholikerinnen sind betroffen, sondern von allen Frauen, die regelmäßig Alkohol konsumieren. 40 Prozent aller Frauen, die in der Schwangerschaft stark trinken, bekommen ein Kind mit fetalem Alkoholsyndrom. Aber auch bis zu 11 Prozent der Kinder von Frauen, die nur mäßig trinken, sind davon betroffen. Diese Kinder leben mit einer Fehlentwicklung ihr Leben lang – es sind irreparable Entwicklungsstörungen die ein Leben lang bleiben. 

Allen Menschen mit FAS haben eines gemeinsam: Sie müssen mit mehr oder weniger schwereren Schädigungen ihrer Gehirnfunktionen zurechtkommen. Nachlassende Aufmerksamkeit, auffälliges Verhalten, teilweise gestörte Sprache sind die Folgen. Auch Probleme mit dem räumlichen Vorstellungsvermögen und der Feinmotorik sind durch den Alkohol in der Schwangerschaft zurückzuführen.

FASD-Patienten fällt es schwer, sich Ziele zu setzen. Zudem überblicken sie oft kaum, was sie tun müssen, um ein Ziel zu erreichen: etwa welche Hindernisse sich ergeben können und wie sich diese umgehen lassen. Problemlösungsstrategien für diese Planungsschwäche kennen sie nicht. "Sie sind nicht in der Lage, allein einen Antrag auszufüllen und abzugeben. Und sie scheitern schon am Antrieb, ein Formular zu holen", berichtet Pflegemutter Michalowski, die auch Vorsitzende der Selbsthilfeorganisation FASD-Deutschland e.V. ist.

Der Alltag verläuft für alle belastend: FAS-Kinder werden schnell wütend, schlagen oder werfen Gegenstände. Sie können schlecht Ziele verfolgen und geben oft auf bevor sie ihr Ziel erreicht haben. So bei Hausaufgaben und auch später in der Berufsausbildung zeichnen sich immer wieder die gleichen Muster ab. Die Eltern sind machtlos weil jede Art der Unterstützung nicht bei den Kindern ankommt. Zeitgleich sind die betroffenen sehr gutgläubig weil sie einfachste Ursache-Wirkung nicht verstehen. Sie werden leichter zum Opfer, werden oft von anderen benutzt – auch bei sexuellem Missbrauch. 

Schätzungsweise 90 Prozent alkoholgeschädigter Kinder kommen irgendwann in eine Pflegefamilie.