Donnerstag, 20. August 2020

Ja zur Abtreibung, Nein zum Fastfood, eine Betrachtung zum Werbeverständnis der Grünen

 Nina Stec

Angesichts der steigenden Zahlen übergewichtiger Menschen in Deutschland fordert die Partei Bündnis 90/Die Grünen eine starke Einschränkung der Fernsehwerbung für ungesunde Lebensmittel. Nach Auffassung der Grünen-Bundestagsabgeordneten und Obfrau des Ausschusses für Gesundheit, Kirsten Kappert-Gonther, gehe es bei der geforderten Regulierung vor allem darum, Minderjährige vor den Reizen jeder – insbesondere stark zuckerhaltiger – Nahrung zu schützen, die nicht den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für ausgewogene Ernährung entspricht.  

Vorbild sei dabei eine neue Regelung in Großbritannien. Die Regierung hatte dort eine neue Kampagne gegen Übergewicht angekündigt, in der das Bewerben von Fastfood in Fernsehen und Internet vor 21 Uhr verboten werden soll. 

Abgesehen von ‚Ausrutschern‘, dass einzelne Parteimitglieder den Konsum von Fastfood auch in der Öffentlichkeit nicht verschmähen, ist das Anliegen der Partei, sich für gesunde Ernährung einzusetzen, sicher nicht verkehrt. Und über eine Einschränkung der Bewerbung ungesunder Konsumgüter lässt sich wohl auch diskutieren.

Junkfood ist nicht harmlos, in einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung übergewichtig ist. Besonders gefährdet sind Kinder, die oftmals in eine ungesunde Lebensweise hineinwachsen. Es ist nicht nur ungesund für den Verbraucher, sondern in seiner Produktion darüber hinaus meistens schlecht für Umwelt, Klima und Tierwohl. Unter diesen Aspekten kann die Auseinandersetzung mit dieser Thematik sinnvoll sein. 

Andererseits: „Mein Körper meine Entscheidung!“ oder wie war das noch gleich mit dem freien Entscheiden? 

Der Umgang mit guter und schlechter Werbung ist ein großes Thema für die Grünen. Bekannt sind dabei insbesondere die Forderungen des Verbots oder der Einschränkung sexistischer Werbung. Dieses Anliegen stellte sich schnell als Herausforderung dar, da es oftmals schwer festzustellen ist oder einfach nur im Auge des Betrachters liegt, ob eine Werbung als sexistisch verstanden wird oder nicht. Die Frage, welche Werbung bei der Mehrheit der Verbraucher beliebt ist und gesehen werden will und welche nicht, scheint allerdings keine Rolle zu spielen. Werbung für Verbraucherschädigendes soll eingeschränkt oder verboten werden, ungeachtet der Interessen von Anbieter und potenziellem Konsumenten. 

Die Verbraucher sollen vor krankmachenden Produkten geschützt werden und von dem eigenen Verlangen, diese zu konsumieren. Denn schlechte Werbung habe schlimme Folgen: Werbung für Fastfood führe schließlich dazu, dass mehr Leute davon essen und dick werden. Und sexistische Werbung führe zur Reproduktion sexistischen Gedankengutes, mache Leute sexistisch. 

Ganz anders scheint es sich seltsamerweise bei der (in Deutschland gesetzlich verbotenen) Werbung für Schwangerschaftsabbrüche darzustellen. Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches stuft Werbung für den Schwangerschaftsabbruch als Straftat ein. Deswegen wird von den Grünen, aber auch von Seiten anderer Organisationen und Personen, seine ersatzlose Streichung gefordert. 

Werbung für Schwangerschaftsabbrüche soll also in den Augen der Grünen möglich sein. Das bedeutet: Abtreibungen stellen in ihren Augen nichts Schlechtes dar, vor dem die Gesellschaft geschützt werden müsse. Abtreibung sei also harmloser als ungesunde Ernährung.

Zum Vergleich: Übergewicht und eine ungesunde Ernährungsweise können tödlich enden. Im Falle eines Erwachsenen ist es aber er allein, der seinem eigenen Körper schadet. Wenn Kinder dauerhaft schlecht ernährt werden, ist dies natürlich ein Fall für weitere Untersuchungen. Wenn aber rechtzeitig eingeschritten wird, kann auch das mangelernährte, übergewichtige Kind wieder gesund werden.

Bei der Abtreibung dagegen wird der Tod des ungeborenen Kindes fremdbestimmt entschieden. Sie endet immer tödlich. 

Die Grünen argumentieren dagegen, dass öffentliches Bewerben von Schwangerschaftsabbrüchen eigentlich keine Werbung sei, sondern reine Information und nicht zu vermehrten Abbrüchen führen würde. 

Nach Auffassung vieler Grüner gebe es grundsätzlich zu wenige Ärzte in Deutschland, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Und diese seien nur schwer zu finden, da sie durch das Verbot z. B. nicht auf ihren eigenen Homepages angeben dürfen, dass sie Abtreibungen durchführen und welche Methoden sie dabei benutzen. Stattdessen können sie sich auf einer Liste der Bundesärztekammer eintragen lassen, die abtreibungswilligen Frauen zugänglich gemacht wird. 

Aber wo genau soll dieser angebliche Unterschied zwischen Information und Werbung liegen, wenn es darum geht, andere auf eine Eigenleistung hinzuweisen, die voraussichtlich auch angenommen wird? 

Wenn eine bekannte Fastfoodkette auf ihre Aushänge schreibt, dass Hamburger XY in ihren Lokalen für soundso viel Euro zu haben ist, informiert sie letzten Endes auch nur über ein Angebot, das in Anspruch genommen werden kann, oder eben nicht. 

Auch wenn stark beschönigende Werbung für Abtreibungen, wie es sie etwa in China gibt, die Abtreibung etwa als eine Art Wellnessurlaub anpreisen und teilweise sogar Mengenrabatte versprechen, in Deutschland in naher Zukunft nicht vorstellbar sind, sind die Grenzen doch fließend. Die Darstellung der Abtreibung als sicher, möglichst nicht unangenehm und nicht unmoralisch und die Forderung ihrer leichten Zugänglichkeit sind schließlich beliebte Positionen, die Abtreibungsbefürworter in diesen Kontext einbringen.  

Wenn A in jedem anderen Fall zu B, also Werbung zum Konsum führt, und Angebot und Nachfrage zusammenhängen, ist es logisch nicht nachvollziehbar, warum gerade dieser Fall die Ausnahme der Regel darstellen sollte, dass dadurch nicht noch mehr Kinder abgetrieben würden. Es ist jedenfalls absurd, gleichzeitig zahlreiche strenge Verbote zu fordern und ausgerechnet bei der Abtreibung nahezu endlos liberalisieren zu wollen. 

Quellen: 
https://www.gruene-bundestag.de/themen/frauen/weg-mit-219a
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw08-de-stgb-schwangerschaftsabbruch-542312
https://www.tagesspiegel.de/berlin/werbung-fuer-abtreibung-berliner-aerztinnen-nach-paragraf-219a-angeklagt/24454852.html
https://www.welt.de/politik/deutschland/article212914738/Gruene-wollen-TV-Werbung-fuer-Fast-Food-verbieten.html
https://hpd.de/artikel/friseuren-und-aerzten-18351
https://www.saarnews.com/index.php/2020/07/02/gruene-gegen-sexistische-werbung-vorgehen/