Freitag, 7. Dezember 2018

Genetische Manipulationen an Embryonen als Gefahr für Leben und Ethik in der Wissenschaft

Foto: Freepiks'
Nina Stec

Genmanipulationen bei Embryonen oder gar das Klonen von menschlichen Föten sind in den meisten Ländern verboten, auch in China. Anders als in europäischen Ländern gibt es dort jedoch kaum Kontrollen für Forschung jeglicher Art, was das Land attraktiv für Genwissenschaftler aus aller Welt erscheinen lässt. Denn in der stark geförderten Biotechnologie lassen sich hohe Gewinne und internationales Ansehen erzielen. Der Ansporn, bei einer als zukunftsträchtig und weltbewegend wahrgenommenen Erfindung „der Erste“ zu sein, führt nicht selten dazu, dass ethische Bedenken und Gedanken über Langzeitauswirkungen als störend empfunden und beiseitegeschoben werden.

Als der chinesische Forscher He Jiankui im vergangenen Monat die erste Geburt von genetisch manipulierten Babys bekanntgab, reagierten Wissenschaftler auf der ganzen Welt mit Entsetzen. Allein in China verfassten mehr als 100 Wissenschaftler einen Protestbrief gegen Jiankui, in dem sie seinen „verrückten Menschenversuch“ scharf verurteilten.

Bereits drei Jahre zuvor hatten chinesische Forscher behauptet, das Erbgut von Embryonen verändert zu haben, diese allerdings sollen fehlgebildet gewesen sein und wurden nach dem Experiment „entsorgt“, also getötet.

Lulu und Nana, Zwillingsschwestern und die mutmaßlich ersten, nach einer genetischen Veränderung geborenen Babys der Welt – es soll noch überprüft werden, ob der von Jiankui verkündete genetische Eingriff tatsächlich stattfand – wurden durch künstliche Befruchtung gezeugt und von einer Leihmutter ausgetragen. Ihre biologischen Eltern seien ein HIV-positiver Mann und seine nicht infizierte Partnerin.  

In dem Experiment sollte es darum gehen, nicht nur gesunde, sondern vollkommen HIV-resistente Babys zu „erschaffen“, angeblich mit dem Bestreben, HIV auszurotten. Dafür wurde mit einer sogenannten Genschere, dem Genom-Editier-Werkzeug Crispr/Cas9, im frühen Embryo-Status eine Erbgut-Anlage ausgeschaltet, in der sich üblicherweise die Empfänglichkeit für das Virus befindet. Jedoch können viele HIV-Infizierte bei der richtigen Behandlung auch auf natürlichem Weg gesunde Kinder bekommen und vor einer Ansteckung mit dem Virus kann man sich mit dem richtigen Wissen sehr gut schützen, ohne dass es einer absoluten Resistenz bedürfte. Die bei der Genmanipulation angewendeten Verfahren dagegen gelten als äußerst riskant. Es werden hohe Risiken für Missbildungen angenommen. Die beiden Schwestern wurden zwar nach Aussage Jiankuis gesund geboren, jedoch gibt es keinerlei Studien über die Langzeitwirkungen.

Fakt ist: Wenn in das Erbgut eines Menschen oder auch eines Tieres oder eines anderen Organismus eingegriffen wird, betreffen diese Manipulationen jede einzelne seiner Zellen. Welche Konsequenzen daraus entstehen könnten ist derzeit nicht ersichtlich. Jedoch besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass genetisch veränderte Menschen krank werden, etwa Stoffwechselstörungen oder ein erhöhtes Krebsrisiko aufweisen, oder so stark beeinträchtigt sein könnten, dass sie sehr jung, noch vor der Geburt oder kurz danach, sterben. Auch wenn sie überleben und selbst keine Folgeschäden davontragen, werden sie ihre veränderten Gene an ihre eigenen Nachkommen weitergeben, so kann es auch passieren, dass Probleme bei späteren Generationen auftreten.

Des Weiteren mahnen kritische Stimmen an, dass genetische Manipulationen nicht „nur“ zur Auslöschung von Krankheiten verwendet werden könnten, sondern dass das befürchtete „Designer-Baby“ Realität werden könnte, etwa indem reiche Eltern bestimmte Merkmale wie Intelligenz und Aussehen ihres Nachwuchses verbessern lassen könnten. 

Der Wunsch, möglichst perfekt zu sein und perfekte Kinder zu haben, treibt viele Menschen an. Der Mensch ist allerdings ein unvollkommenes und sterbliches Wesen, wer sich damit überhaupt nicht abfinden möchte, lässt für solche Mitmenschen, die als Makel aufgefasste Merkmale wie Behinderungen und Krankheiten aufweisen, keinen Raum. Kinder mit Behinderung werden schon jetzt wesentlich häufiger abgetrieben als Nichtbehinderte. Genetische Manipulationen in Kombination mit Perfektionierungsbestrebungen könnten für sie fatale Konsequenzen haben.

Ob nun der Versuch tatsächlich stattgefunden hat oder nicht, die technischen Möglichkeiten, um in den Genpool von Menschen einzugreifen und ihn umzugestalten, sind durch Crispr/Cas9 definitiv vorhanden. Aber ob man etwas tun sollte, nur weil man es kann, ist eine andere Frage. Wenn erstmal einer angefangen hat, besteht in der Regel hohe Nachahmungsgefahr.


Quellen:
https://www.deutschlandfunk.de/genmanipulierte-babys-in-china-die-selbstkontrolle-der.720.de.html?dram:article_id=434385
http://www.faz.net/aktuell/wissen/crispr-erstmals-genetisch-veraenderte-babys-in-china-geboren-15909650.html
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article184519362/Genmanipulierte-Babys-in-China-Besonders-schockieren-muss-der-Gegensatz-zu-Deutschland.html
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/gentechnisch-mit-crispr-veraenderte-babys-in-china-in-hoechstem-masse-unethisch-a-1241000.html
https://www.schwaebische.de/ueberregional/politik_artikel,-genmanipulierte-babys-in-china-warum-dieser-tabubruch-so-vielen-angst-macht-_arid,10970182.html